Mein Hundeleben – Schnauzen voller Liebe – Das Buch – Selbstreflexion

Warum habe ich überhaupt Tiere? Was bringt mich dazu, einen großen Teil meiner Freizeit freiwillig zu opfern und die Verantwortung für ein Tier zu übernehmen? Ich könnte meine freie Zeit genießen und ohne Verpflichtungen das Haus verlassen. Spontan in Urlaub fliegen und nächtelang wegbleiben, ohne Rücksicht auf jemanden nehmen zu müssen. Was lässt mich darauf verzichten? Möchte ich eine emotionale Leere füllen? Will ich einen Versorgerinstinkt ausleben, den ich nicht bei meinem eigenen Kind ausleben konnte? Was ist es also? Ich muss es vielleicht aus einer anderen Perspektive betrachten. Ich bin offenbar nicht alleine mit dem Wunsch nach einem tierischen Mitbewohner, denn in Deutschland leben viele Millionen Menschen mit Hunden oder Katzen. Ich habe einen intakten Bekannten- und Freundeskreis. Ich gehe einem wunderbaren Beruf nach, mache Musik, und lerne dadurch immer wieder neue und spannende Leute kennen. Smalltalk beherrsche ich auch. Also, was fehlt mir? Bedingungslosigkeit? Jemand, der immer da ist, wenn ich ihn brauche? Jemand, der abhängig von mir ist? Jemanden, der mich bedingungslos liebt? „Komm zu Papa“, „Wo ist denn der liebe Junge?“ Was steckt hinter diesen harmlos dahingesagten Phrasen? Gestern hörte ich einen Passanten zu einem Hundebesitzer vor einer Metzgerei sagen: „Na, wartet der Hund auf die Mama?“ Der Hundebesitzer antwortete: „Nein, auf die Fleischwurst von der Mama“. Er stand dort mit einem großen Weimaraner, dem es vielleicht peinlich gewesen wäre, wenn er den Inhalt dieser Konversation verstanden hätte. Ein Weimaraner ist laut Rassebeschreibung ein ausgesprochen intelligenter und souveräner Jagdhund mit ausgeprägter Wildschärfe. Das bedeutet, dass er geschossenes Wild auf Kommando aufspürt und im normalen Arbeitsalltag, den die Rasse früher einmal hatte, nicht darauf wartet, dass ‚Mama‘ die Fleischwurst bringt. Was für eine Degradierung seiner Fähigkeiten. Aber, bin ich eigentlich anders als der Hundebesitzer. Degradiere ich meine Hunde nicht genauso?

Ich bin mit Lassie und Timmy aufgewachsen, habe nach dem Duschen samstags Daktari geschaut und schenkelklopfend mit Clarence zusammen geschielt. Flipper, Sandy und Bud waren meine Freunde. Wenn Flipper die Verbrecher stellte oder Haie vertrieb, jubelte ich vor Freude. Tarzan, mein großes Vorbild, lebte zusammen mit den Tieren des Waldes. Sie waren seine Freunde. Winnetou und Old Shatterhand liebten ihre Pferde und gingen mit ihnen durch dick und dünn. Iltschi und Hatatitla, so hießen die beiden, waren sogar Brüder. Zwei Blutsbrüder und zwei Pferdebrüder, gemeinsam im Kampf gegen die Ungerechtigkeit dieser Welt. Flicka und Fury, Tom und Jerry, Bugs Bunny, Black Beauty und Ferien auf Saltkrokan mit Bootsmann zählten zu meinen Klassikern. In Malin, die 19-jährige Tochter von der Kräheninsel, und in Paula, die Tochter von Marsh Tracy aus Daktari, war ich unsterblich verliebt. „Ein Platz für Tiere“ mit Bernhard Grzimek war mein wöchentliches Highlight. Ich segelte mit Jacques Cousteau und seinem Schiff Calypso hinaus aufs hohe Meer und tauchte mit ihm ein in die tiefen Welten des Ozeans. Gustav Knuth begeisterte mich in der Serie „All meine Tiere“ als Tierarzt, und insgeheim wünschte ich mir, er wäre mein Vater. Ich habe Jane Goodall und Dian Fossey zum ersten Mal in der Sendung „Im Reich der wilden Tiere“ gesehen, und beide haben mich zutiefst fasziniert. Den Spielfilm über das Leben von Dian Fossey, „Gorillas im Nebel“, kann ich mir nicht mehr ansehen wegen der Grausamkeiten, die den Gorillas zugefügt wurden. Dian Fossey wurde leider eines Tages, wahrscheinlich ermordet von Wilderern, in ihrem Camp aufgefunden. Sie widmete sich dem Schutz der Berggorillas. Die Lassie-Spielfilme sind mir zu hart. Es ist kaum für mich zu ertragen, wenn Lassie verkauft werden muss, weil es der Familie schlecht geht und sie von der wunderbaren 10-jährigen Elisabeth Taylor und Roddy McDowell getrennt wird. 

Es gibt noch viele Beispiele mehr und langsam beginne ich zu verstehen, warum ich Tiere so liebe. Wenn beim Angriff auf die Normandie in „Der Soldat James Ryan“ Tausende von Soldaten im blutgetränkten Sand sterben, löst das kaum Emotionen in mir aus, denn für mich ist es nur ein Film. Bitte versteht mich nicht falsch, ich verabscheue Krieg. Aber weitaus tragischer finde ich den Tod des Muttertiers in „Der Bär“ von Jean-Jacques Annaud im Vergleich dazu, wenn ein U-Boot in einem Kriegsfilm versenkt wird.

Ein zentraler Aspekt für mich ist die Verletzlichkeit von Tieren, die dem Menschen bedingungslos ausgeliefert sind. Sie können verkauft, erschossen oder geangelt und wieder ins Wasser geworfen werden. Sie können als Versuchstiere in Laboren dienen, nur damit wir neue Kosmetika haben, oder sie werden mit Sprengstoff am Körper unter Wasser trainiert, um auf Knopfdruck Schiffe zu versenken. Oder man gewinnt mit ihnen Pokale und hohe Siegprämien, ohne die Tiere zu fragen, ob sie das überhaupt wollen. Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Dies macht mich zutiefst traurig und wütend. Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich weniger über das Wohl von Tieren oder Menschen nachgedacht habe. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das verändert. In einer Zeit, in der das Wort ‚Gutmensch‘ als Schimpfwort gilt, Hasskommentare im Internet aufgrund der Anonymität unfassbare Ausmaße erreichen und der Egoismus der Menschen zunimmt, finde ich es schockierend, dass wir das Naheliegende – Respekt und Empathie – zunehmend aus den Augen verlieren. Aber warum liebe ich Tiere denn nun? Ich schätze die körperliche Nähe und die Verbundenheit. Ich liebe es, für sie zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen. Ich liebe es, wenn sie sich in meiner Nähe wohl fühlen. Ich liebe es, sie zu streicheln, zu knuddeln, mit ihnen durch das Unterholz zu laufen oder, wie mit meinem Hund Cooper, in den Dünen zu liegen. Ich liebe es, ihren Geruch einzufangen. Ich möchte für sie da sein und nehme es gerne in Kauf, dadurch Einschränkungen zu haben. Zum Zeitpunkt, an dem ich dieses Kapitel schreibe, ist Cooper seit vier Wochen tot. Mein Leben ist leerer. Mein Herz schmerzt und es ist kaum auszuhalten. Nach Hause zu kommen und nicht von ihm erwartet zu werden tut unendlich weh. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich ein geliebtes Tier oder einen Menschen verliere.  

Mein Leben ist schlagartig leerer. Mit Cooper, Berry, Sandra und all den anderen lieben Hunden, war mein Leben voller. Sehr viel voller. Wertvoller. Das ist es, warum ich gerne mit Tieren zusammen bin.