Leider zeigte sich, dass Selbstvertrauen und Stärke alleine nicht immer ausreichen, um allen Herausforderungen des Lebens gerecht zu werden. Als Harry, ein beeindruckender Deutscher Schäferhund, in mein Leben trat, sollte ich eine Lektion lernen, die ich nie vergessen würde.
Die Geschichte begann, ähnlich wie bei Sandra, mit einem Zufall. Während einer Motorradtour mit einigen Freunden machte ich Halt in Welcherath, nahe des Nürburgrings, um in einer Gaststätte einzukehren. Harry war an einer Laufleine befestigt und konnte sich frei auf dem ganzen Hof bewegen. Ein beeindruckender Hund, der an der Leine keinerlei Aggressionen zeigte und selbst bei Anwesenheit anderer Hunde vollkommen gelassen blieb. Irgendwie ergab sich im Gespräch mit dem Wirt, dass dieser Harry lieber in den Händen eines anderen Besitzers wüsste. Seine Partnerin war kürzlich verstorben, und er musste nun alles alleine bewältigen. Harry wurde dabei vernachlässigt. Na, könnt Ihr Euch vorstellen, wie diese Geschichte weitergeht? Harry und ich unternahmen am nächsten Tag einen Spaziergang. Es war ein Moment, der mir zeigte, wie sehr ich die Gesellschaft eines treuen Begleiters vermisst hatte. Wir wanderten zuerst um seinen Heimatort und am nächsten Tag um meinen. Harry war zu diesem Zeitpunkt 3 Jahre alt. Er wurde mein zweiter Hund. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf Sandra, mein Wunderwesen, zurückkommen. Sie begleitete mich vom ersten Tag an ohne Leine, unabhängig davon, wie belebt die Umgebung war. Ich genoss es, sie während des Weihnachtstrubels auf den Kölner Einkaufsstraßen frei laufen zu lassen. Ab und zu fiel sie etwas zurück, und für die anderen Passanten sah es wahrscheinlich so aus, als ob sie alleine unterwegs wäre. Sie folgte mir immer. Ich sah mich als modernen Franz von Assisi, der eine besondere Beziehung zu Tieren hatte. Ich musste später auf schmerzhafte Weise feststellen, dass dies an Sandra lag und nicht an mir. Sie war Franziska von Assisi. Jetzt beim zweiten Hund, sollte mir nach drei Tagen schon klar werden, dass ich ein blutiger Anfänger in der Hundeerziehung war. Bettina, meine damalige Lebensgefährtin, und ich waren mit Harry auf einem Flohmarkt in Euskirchen, wo wir einen kleinen Verkaufsstand hatten. Und was tat ich? Ich ließ ihn frei laufen. Einen großen Schäferhund, über den ich nicht viel wusste. Einen Hund, den ich für mindestens vier Wochen nicht hätte ableinen dürfen. Ich kam mir sehr cool vor mit diesem imposanten Hund an meiner Seite. Der Dackel, den Harry sich schnappte, wurde nicht schwer verletzt und konnte mit einigen Stichen genäht werden. Das war meine Schuld. Hätte er gewollt, hätte der Dackel nicht überlebt. Der Besitzer des Dackels und ich hätten nichts tun können, um die beiden zu trennen. Wir waren beide hilflos und entsetzt: ein Schäferhund und ein Dackel, der vor Todesangst schrie. Harry ließ von ihm ab. Ich hatte ihn in diese Situation gebracht. Einen Kettenhund, der plötzlich auf einem überfüllten Flohmarkt zurechtkommen musste. Einen Hund, der nichts kannte außer seinem Garten und den Waldspaziergängen. Ich erhielt eine Lektion, die ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen sollte. Am folgenden Tag brachte Bettina Harry zurück zu seinem alten Besitzer. Zurück an die lange Leine. Ich konnte es nicht über mich bringen, mitzufahren. Erkennt sich hier jemand wieder? Es ist nicht einfach zuzugeben, dass man seine Fähigkeiten überschätzt hat und dafür Verantwortung zu übernehmen. Bettina hatte Angst vor Harry bekommen und wollte ihn nicht mehr bei uns haben. Was sollte ich tun? Diese Erinnerung und mein schlechtes Gewissen schmerzen mich bis heute, obwohl diese Geschichte bereits 1999 passiert ist und Harry schon lange nicht mehr lebt. Damals habe ich mir geschworen, dass ich niemals wieder ein Tier zurückgeben würde. Niemals.